Heilkraft und Atem

 
 
 
 

Liebe Leser*innen!

Den Atem zu erforschen und kennenzulernen ist spannend, öffnet uns die Augen für reale Lebenszusammenhänge und erweitert das Verstehen zu Gesundheit und Krankheit. In den folgenden Artikeln werde ich mit euch gemeinsam der Frage nachgehen, wie eine Heilkraft für das seelische und körperliche Befinden mit dem Atem verbunden ist. In diesem Zusammenhang habe ich unterschiedliche Heilansätze über die Atmung studiert und vertieft und werde euch einige in ihren Grundzügen vorstellen.

Stellen wir uns zuerst eine ideale Situation vor. Der Atem fließt natürlich, leicht, unbeschwert. Egal, wo wir uns befinden, wir werden leichter in Beziehung zur Außenwelt und in Kommunikation mit anderen kommen, Interesse und Zuversicht für unsere Vorhaben fühlen. Eine Atemeinschränkung dagegen bringt mehr das Gefühl von Enge und erschwert die Beziehungsaufnahme, das Interesse und die Kraft zur Empathie. Eine Belastung liegt auf der Person und wirkt bis in die Atmung hinein. In unserer gegenwärtigen Zeit gibt es immer häufiger das Phänomen, dass eine Fehlatmung nicht mehr bemerkt wird, weil sie schon zur Gewohnheit geworden ist. Eine chronische Fehlatmung verläuft meist unbewusst, kann jedoch über die Aufmerksamkeit erkannt und schließlich korrigiert werden.

Bei meinen Forschungen zu der großartigen Flexibilität die die Atmung aufweist und zu bestehenden Atemabweichungen, entstand in mir das Bild, dass der Atem selbst immer unmittelbar reagiert, wie ein Instrument das Veränderungen sofort aufnimmt. Wir selbst können dies bei körperlicher Anstrengung beobachten, wenn wir z.B. ein anspruchsvolles Sporttraining absolvieren. Der Atem intensiviert sich sofort, um eine bessere Sauerstoffversorgung zu organisieren und dem Menschen größere Kraftanstrengungen zu ermöglichen.

Welche Beobachtungen können wir noch machen, wenn wir die seelischen Einflüsse genauer in die Aufmerksamkeit nehmen, wie sie sich mit der Atmung verbinden? Wie zuvor schon erwähnt, spiegelt sich eine seelische Belastung in der Atmung wider, verändert sie und setzt ihr etwas Beschwerendes auf. Seien es Ängste, Sorgen, Stress, ein fixiertes Denken oder die Depression, immer werden wir in der Atmung ein Zeichen davon finden. Ebenso spiegelt sich auch eine Freude oder ein Hochgefühl im Atem wider und wir werden einen leichteren Fluss erleben. Der Atem trägt unser Gefühlsleben mit all seinen Schwankungen und trägt diese Stimmung direkt in die körperliche Ebene. Untersucht man die Wege weiter, wie es z.B. Dr. Konstantin Buteyko*, ein russischer Mediziner und Wissenschaftler oder der Arzt Dr. Johannes Ludwig Schmitt** unternahmen, entdeckt man Auswirkungen, die unsere Gesundheit oder Krankheit betreffen. Einige Personen, die sich diesem Thema widmeten und ihre spezifische Heilmethoden ausarbeiteten, möchte ich euch in den folgenden Artikeln auf „Yoga Aktuell“ vorstellen.


Diese Worte habe ich auf einer Schautafel im Wald gelesen und möchte sie euch zitieren:

Die Luft, die wir atmen

“Staub und verunreinigte Luft wird durch die Blätter und Nadeln des Waldes gereinigt. In ein Liter Großstadtluft schweben 9000 Staubteilchen. In ein Liter Waldluft nur noch 2000. Hier können wir frei atmen. Die Blattfläche eines Hektars Altbuchenwaldes ist so groß, dass sie etwa 68 Tonnen Staub zurückhalten kann, bis der Regen ihn zu Boden wäscht.

Eine einzige Buche verwandelt aus CO2 ausreichend Sauerstoff für den Bedarf eines Menschen.“


Der leichte und der gebundene Atem

Diese zwei Übungen können wir praktizieren, um eine Unterscheidung auszuprägen, wie ein leichterer oder mehr gebundener Atem entsteht. Die erste Übung führt uns die Empfindung nahe, wie die Atmung in Beziehung zum Luftraum in ihrem natürlichen Fließen gefühlt wird. Bei der zweiten Übung erleben wir mehr eine körperliche Energetisierung über Atmung.

1. Übungsanleitung:

Stellt euch aufrecht in die Standposition auf beide Füße, lasst die Schultern locker und die Arme seitwärts hängen. Bei der nun folgenden Bewegung der Arme richtet eure Wahrnehmung in den Raum nach außen. Lasst eure Arme seitlich so leicht wie Flügel hochsteigen und wenn sich die Fingerspitzen über dem Kopf berühren wieder nach unten gleiten. Nehmt dabei das luftige, leichte Element, das im Außenraum existiert, wahr und stellt euch vor, wie es den großen, äußeren Raum erfüllt und auch unseren Körper umhüllt. Wiederholt diese Ausführung mehrmals und lasst dabei den Atem natürlich fließen.

Wie wird der Atem erlebt? Nehmt euch kurz Zeit, um die Qualität der Atmung zu beobachten.

Meist ist eine Nähe und intensiveres Fühlen zum Luftraum entstanden. Diese Empfindung von Raum und Weite wird vom Atem als feinere Qualität aufgenommen.

2. Übungsanleitung:

Beginnt nun wieder in der stehenden Haltung. Dieses Mal nehmt euch jedoch vor, die Lungen vollständig und kräftig mit Luft aufzufüllen und mit geführter Ausatmung wieder zu entleeren. Während die Arme seitlich nach oben steigen füllt bewusst eure Lungen auf und lasst alle Luft ausströmen bei absteigender Armbewegung. Wiederholt diese Art der forcierten Ein- und Ausatmung ca. 3 Male.

Nehmt euch wieder kurz Zeit zur Beobachtung. Wie ist die Qualität der Atmung?

Meist wird die Physis nach der Übung sehr deutlich erlebt und eine stärkere Vitalisierung im ganzen Körper. Eine Belebung der Durchatmung wird gefühlt und zugleich durch das betonte Willensmotiv. Die Atmung wird mehr in einer Bindung gefühlt. Der Luftraum entschwindet der Wahrnehmung. Interessant ist nun, dass durch die erste Art der Übung die körperliche Versorgung über den feineren Atemstrom besser gewährleistet ist. Beide Übungen können öfter mit der jeweiligen Beobachtung zum Atemerleben ausgeführt werden, damit der Unterschied zwischen einer Bindung im Atem und dem natürlichen, freieren Atemstrom deutlich wird.

 
 

Es grüßt Euch

Ulrike Mayr