Aufrichten im Herz-Atemraum
Liebe Leser*innen,
die Herausforderungen, die mit der gegenwärtige Zeit auf uns zukommen, sind groß. Aus meiner Sicht besteht zunehmend die Gefahr seelisch einzuknicken, sei es durch die Angst vor Krankheit oder einem Lockdown, der immer wieder verlängert wird oder durch den tatsächlichen Verlust der materiellen Existenz. Körperlich gesehen entsteht mit solchen Belastungen, die bedrückend und niederdrückend wirken, eine Schwächung im Herz-Atemraum. Ich erfahre, wie bei vielen Personen ein Engegefühl im Atem zunimmt und wie Ärzte vermehrt von Patienten mit Herzrasen oder Rhythmusstörungen berichten.
Über viele Jahre machte ich die folgende Beobachtung, dass Atem und Herz besonders dann betroffen sind, wenn unsere persönlichen Lebensfelder, wie Beruf, Familie, Freunde, unsere Interessen und Freizeitvorhaben – gegenwärtige das Thema Gesundheit/Krankheit – zu sehr in Unordnung geraten. Wenn uns sozusagen die Führung entgleitet und wir von anderen Personen oder äußeren Notwendigkeiten zu sehr bestimmt werden. In dieser Situation werden wir direkt in unserer Mitte, das ist der Herz-Atemraum, von äußeren Einflüssen erdrückt und wir ziehen uns in der eigenen aktiven Kraft zurück. Das Herz in seinem Fühlen ist der Ort, der alle Einflüsse von außen aufnimmt. Der Herz-Atemraum bildet aber gleichzeitig einen Ort zur Sammlung und Zentrierung und wir können im Anschluss wieder eine Antwort und Aktivität nach außen geben. Die lebendige Bewegung im Hin und Her, zwischen Außenwelt- und Innenraum – so wie es in Einatmung und Ausatmung erlebbar wird-, hält uns gesund und stärkt die Lebenskräfte.
Das seelische Einknicken, das sich bis in den Herzbereich hinein fortsetzt, zeigt uns an, dass keine geeigneten Gedanken und Gefühle mehr von uns selbst bewegt werden. Wir benötigen sinnerfüllende Inhalte und Themen für unsere Lebensführung. Wenn diese fehlen, nimmt eine freudlose, beschwerende Stimmung überhand. Herz und Atem geraten in einen Mangelzustand.
Die gegenwärtige Zeit fordert uns geradezu auf, angstfrei, mit objektivem, klarem Blick das Thema Krankheit und Gesundheit neu zu beleuchten und eine tiefere, seelisch-geistige Seite in das menschliche Leben mit einzubeziehen. Das ist ja der eigentliche Grund, warum viele Menschen als Unterstützung Yoga aufsuchen.
Der Neue Yogawille* trägt eine geistige Substanz in seinen Inhalten zu den Übungen, die uns zu klarem Denken anregt an und unsere Gefühlsseite beruhigt und versöhnt. Forschend und wahrnehmend kann jeder mit der Übungspraxis ein feines Kräftewirken erzeugen, das sich stärkend auf die Atmung und das Herzkreislaufsystem auswirkt.
Im Folgenden möchte ich euch zur Ausführung der Yogaübung Andreaskreuz** motivieren. Es ist eine Übung, die uns das Herzzentrum bildhaft naheführt.
Die Übung beginnt im aufrechten Stand. Mit den Beinen und Armen wird eine Kreuzform gebildet, deren Schnittpunkt auf Herzenshöhe liegt.
Ein Erleben nach außen in den Raum und zu einer Mitte nach innen liegt der Übung zugrunde. Mit einer sensibel empfangende Geste werden die Arme hochgeführt und nehmen den gleichen Abstand wie die Füße ein. Die Handflächen zeigen zueinander, der Körper bildet ein Kreuz. Wir erheben uns auf die Zehen und halten den Atem immer im natürlichen Fließen. In der ruhigen, statischen Phase bleiben wir wach und bewusst für das metrische Bild dieser Stellung. Ruhig lassen wir unsere Aufmerksamkeit einmal in den äußeren Raum gleiten und wieder zurück zum Kreuzpunkt.
Wir können uns bildhaft vorstellen, wie Gedanken und Gefühle in diesem Außenraum existieren und nun zur Mitte strömen. Das Herz gilt als ein Ort der Sammlung und Zentrierung, wo sich unser Fühlen durch die Einflüsse von außen immer neu bildet. Eine wache, nach außen offene und gleichzeitig zentrierende, nach innen sammelnde Kraft liegt in der Herzregion des Menschen.
Mit der Übung gewinnen wir ein Verstehen, wie bedeutsam es ist, den äußeren Einflüssen wach zu begegnen und sinnvolle Themen zu bewegen und selbst in die persönlichen Lebensfelder hineinzuführen.
Es grüßt Euch
Ulrike Mayr
*Neuer Yogawille begründet von Heinz Grill: ein künstlerischer Übungs- und Entwicklungsweg auf spiritueller Grundlage.
**Heinz Grill aus: Die Seelendimension des Yoga